«Ich will meinen eigenen Weg gehen»
- buehlerlivia
- 7. Juni
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Aktualisiert: 8. Juni
Amélie Lengweiler und Volleyball – das passt. Die Begeisterung für den Sport wurde der Thurgauerin praktisch in die Wiege gelegt. Von Aadorf über Zürich fand sie den Weg zu Viteos NUC nach Neuenburg. Wenn es nach der 21-Jährigen geht, soll schon bald der nächste Schritt ins Ausland folgen.
Stefanie Barmet über Amélie Lengweiler

Wenn Amélie Lengweiler von ihrer Sportart berichtet, beginnen ihre braunen Augen zu leuchten: «Seit ich denken kann, bin ich Teil der Volleyballwelt. Meine Mutter, die heute Juniorentrainerin bei Volley Aadorf und Verantwortliche für das Perspektivkader von Swiss Volley ist, hat mich schon als Kleinkind mit in die Halle genommen. Es ist schön, zu sehen, wie sich die Geschichte weiterentwickelt hat.»
Von einer Liebe auf den ersten Blick zu sprechen, wäre jedoch vermessen. Amélies sportliche Karriere begann mit Leichtathletik, Reit- und Schwimmsport. «Meiner Mutter war es sehr wichtig, dass alle drei Kinder die Basics des Volleyballs beherrschten, damit wir in den Ferien gemeinsam spielen konnten, deshalb nahm ich für wenige Monate am Volleyballtraining teil, widmete mich danach aber wieder der Leichtathletik und dem Schwimmtraining.» Erst als ihre Mutter ein Volleyballteam gründete, fand Amélie Lengweiler dauerhaft zur Teamsportart zurück.
Mit dem Schulwechsel ans Sportgymnasium Rämibühl in Zürich erfolgte der Schritt vom ländlichen Aadorf an die «Volleyball Academy» in Zürich und zum NLB-Verein VBC Kanti Baden. Von da an wurde das Pendeln zwischen dem Zuhause, dem Gymnasium und den Trainings zu Amélies Alltag – eine Routine, die sie bis heute begleitet. Nach der Matura ging der Aufstieg rasant weiter, und die 21-Jährige wechselte zu Viteos NUC, wo sie sowohl im NLA- als auch im NLB-Team als Aussenangreiferin zum Einsatz kommt. «Nach der Matura war für mich klar, dass ich meine sportliche Karriere weiterverfolgen wollte. Nach einem Zwischenjahr entschied ich mich, an der Uni Bern Germanistik und Geschichte zu studieren.»

Innige Verbundenheit und grosse Fussstapfen
Seither sind die Tage von Amélie Lengweiler durchgetaktet. Unter der Woche absolviert sie täglich zwei Einheiten und besucht daneben Vorlesungen und Seminare an der Uni. Besuche bei den Eltern liegen nur noch alle drei bis vier Wochen drin. «Natürlich vermisse ich mein Umfeld und meine Katze manchmal, ganz besonders, wenn ich aufgrund von Verletzungen nicht spielen kann und gerne am normalen Leben teilnehmen möchte. Doch mein Alltag gefällt mir sehr, und ich bin gut in Neuenburg angekommen. Ich habe dank dem Sport die Möglichkeit, mich ständig weiterzuentwickeln und an Herausforderungen zu wachsen.»
Wer ein Porträt über Amélie Lengweiler schreiben will, kommt nicht darum herum, sie auf ihre erfolgreichen Geschwister anzusprechen. «Wir kennen uns in- und auswendig, verfolgen die gleichen Ziele und pflegen eine sehr innige Beziehung.» Die 26-jährige Julie spielt seit der Saison 24/25 beim Bundesligisten Dresdner SC und gehört dem Schweizer Nationalteam an. Der drei Jahre jüngere Alexander, welcher ebenfalls im Nationalteam ist, steht zurzeit bei Volley Schönenwerd unter Vertrag. Es sind somit grosse Fussstapfen, in die Amélie eines Tages treten soll, wenn es nach den Erwartungen von aussen geht. «Ich werde seit Tag eins immer mit meinen Geschwistern verglichen, aber ich will meinen eigenen Weg gehen. Eine Trainerin hat mir mal gesagt, ich solle für meinen Vornamen und nicht für meinen Nachnamen spielen – diesen Rat habe ich mir zu Herzen genommen.»

Amélie beschreibt sich als sehr spontanen, ehrlichen, direkten und humorvollen Menschen. «Während ich im Volleyball sehr gerne Verantwortung übernehme, aggressiv spiele und äusserst kreativ bin, wäre ich dies im Alltag gerne etwas mehr. Ich würde beispielsweise sehr gerne gut backen oder zeichnen können, bin darin aber nicht besonders talentiert», erklärt sie lachend. Als Aussenangreiferin sind von der begnadeten Leserin ganz unterschiedliche Fähigkeiten gefragt. «Es ist eine Position, in die man hineinwachsen muss und bei der Erfahrung wichtig ist. Mit meiner Grösse von 1.80 Meter zähle ich nicht zu den grossen Spielerinnen, eine meiner Stärken ist aber die gute Sprungkraft, wodurch ich vieles wettmachen kann.» Als ungeduldiger Typ Mensch, der sehr kritisch mit sich selbst sei und sich Fehler zu Herzen nehme, habe sie in Neuenburg schon grosse Fortschritte erzielt. «Von Westschweizerinnen habe ich gelernt, vieles etwas entspannter zu sehen», so die Thurgauerin.
Ein Traum treibt sie an
Bei NUC nimmt die 21-Jährige zurzeit im NLB-Team eine tragende Rolle ein, während sie in der NLA wichtige Trainings- und Spielerfahrungen sammeln kann. «Ich fühle mich hier sehr wohl und kann in vielfacher Hinsicht profitieren. Während im NLA-Team die Trainingssprache Englisch ist, bin ich eine der wenigen Deutschschweizerinnen im B-Team, wodurch ich auch meine Französischkenntnisse verbessern kann.» Die Verbundenheit zwischen den Spielerinnen sei auf und neben dem Platz spürbar. Besonders schätzt Amélie Lengweiler auch die Fankultur, welche in der Westschweiz herrsche. Dennoch ist für sie klar, dass sie früher oder später den Schritt ins Ausland wagen möchte. «Aufgrund meines Studiums wären sicher Teams in Deutschland oder Österreich attraktiv, aber auch Spanien oder Italien würden mich reizen. Eines Tages vom Volleyballsport leben zu können, ist mein Traum.»
Als bisher grössten Erfolg bezeichnet die 21-Jährige die Teilnahme an den U19-Europameisterschaften – ein Unterfangen, welches den Schweizerinnen 2022 nach 19 Jahren erstmals wieder glückte. «Es war für mich eine besonders emotionale Reise, weil ich mich zwischen der Qualifikation und dem Turnier verletzte und den Kampf gegen die Zeit schliesslich gewinnen konnte.» Wenn es nach der Germanistik-Studentin geht, soll auch das Ziel, für das Schweizer A-Nationalteam aufzulaufen, in den nächsten Jahren Realität werden. «Seit zwei Jahren kann ich regelmässig an Lehrgängen des Übergangskaders Next Gen teilnehmen und mich so langsam an das Nationalteam herantasten.» Wenn ihr Weg so weitergeht wie bisher, würde es nicht verwundern, wenn schon bald zwei Lengweilers für die A-Nati auflaufen würden.
Stefanie Barmet hat wie Amélie Lengweiler einst ein Germanistik-Studium an der Universität Bern absolviert. Gemein ist den beiden aber auch die Leidenschaft für guten Kaffee, Texte von Nina Kunz und die Leichtathletik, der Stefanie Barmet im Gegensatz zu Amélie Lengweiler bis heute treu geblieben ist.
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